Spielbericht: Das leidenschaftlichste Team dieser Stadt!

Rostock Piranhas vs. Tilburg Trappers: 7:4

Die Tore der Rostocker Jungs: Pöpel, Mieszkowski (2x), Bejmo, Kunz (2x), Steinmann

Highlights: https://www.thefan.fm/details/seaELDov/

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Vorab: Allemaal het beste voor de tweede plaats in de tabel, beste Tilburg Trappers – alles Gute zum verdienten zweiten Tabellenplatz, liebe Trappers!

Prolog:

»A singer in a smokey room. A smell of wine and cheap perfume. For a smile they can share the night. It goes on and on and on and on.«

»»»

Das Dopamin jagte sicher noch allen Piranhas-Fans durch die Venen, als sich im Herzen der KTV ein Moment ereignete, der dem Autor dieser Zeilen auch am Tag danach eine kräftige wie kaltwarme Gänsehaut am Rücken beschert.

Es war etwa 22:30, als sich zwischen dem Glasgeklimper des Restaurants »Don’t Stop Believing« von Journey in bekannter Anmut aus den Boxen presste. Im Lokal ein wilder Haufen Piranhas-Fans. Jung, alt, alles dazwischen. Und Sponsoren der Raubfische. Teile des Vorstands. Gynäkologen. Sogar geniale Leute aus Tilburg waren mit dabei. Alle sangen zusammen, wild, schief, schön. Und sie tranken einen Barbados-Rum auf einen der treuesten Piranhas-Unterstützer, der vor fast zwei Jahren viel zu früh ging. Dieser Sieg, dieser Abend, so sagte es ein guter Freund des Verstorbenen, hätte Ralfi sehr glücklich gemacht.

Don’t Stop Believing – hör nicht auf zu glauben. Gestern war so ein Abend, an dem konnten die Piranhas-Fans gar nicht genug davon bekommen. Vom Glauben und dem Begreifen.

Was für eine großartige Leistung einer großartigen Mannschaft!

Das Spiel:

Das, was die Rostock Piranhas gestern Abend vor fast 1.300 Zuschauern aufs Eis brachten, war schlicht eine der besten Darbietungen, die eine Rostocker Eishockey-Mannschaft im letzten Jahrzehnt gezeigt hat. Und sie war sinnbildlich für die ganze Saison.

Es ging gegen Tilburg, den Tabellenzweiten. Und der hatte in Rostock richtig was zu gewinnen. Für die Boys aus der niederländischen Oberliga-Enklave ging es um Platz 2. Der könnte im Viertelfinale der Playoffs den Heimvorteil mit sich bringen. Tilburg reiste also mit voller Kapelle an, mit allen Stars. So viel war sicher: Der Gast wollte gewinnen, und das unbedingt.

Und ohnehin die Trappers. Seitdem die Piranhas gegen die spielen, läuft es normalerweise so: Ein Eishockeyspiel dauert mindestens 60 Minuten und am Ende gewinnen immer die Holländer.

Auch gestern sah alles danach aus.

Der erste Akt:

Verzeiht uns die plumpe Sprache, aber »meine Fresse« kamen die Niederländer mit Energie aufs Eis. Mit roher Gewalt drängen sie die Piranhas ins eigene Drittel. Bis auf ein, zwei gefährliche Konter mussten die Raubfische richtig defensiv ackern. Tramm, Renke, Pöpel, Shevyrin, Guran und Jakob scheffelten das Wasser eimerweise aus dem leckgeschlagenen Kahn. Dazu hielt Albrecht mal wieder alles dicht, was dicht zu halten war.

Schade, dass Mike Mieszkowski einen tollen Angriff einmal nur um Zentimeter am Tilburger Tor vorbei spitzelte. So kam, wie es gegen Tilburg immer kommt: Im ersten Powerplay zeigten die Jungs ihre ganze Klasse. 1:0. Das ging schnell, das ging einfach.

Die Piranhas kämpften gegen diese Übermacht verbissen an. Sie überstanden ein weiteres Unterzahlspiel, kamen selber zum Powerplay. Wenige Sekunden vor Ende des Drittels ereignete sich dann jedoch eine von vielen Schlüsselszenen.

Mathieu Tousignant stocherte gegen den Torwart spät nach und bekam dafür direkt vor den Augen der Unparteiischen eine Gouda-Schelle geflankt. Zur Verwunderung – wahrscheinlich – aller Beteiligten erhielt einzig Tousi eine Strafe wegen Stockschlags. Die Faust blieb ungesühnt. Danach wurde es merklich heißer in der Schillingallee.

Leider auch für die Piranhas-Defensive.

Denn die Tilburger machten im folgenden Powerplay richtig Musik. Nach einer fantastischen Kombination schoss Reno De Hondt das zu diesem Zeitpunkt verdiente 2:0. Zu gut, zu schnell, zu perfekt für die Piranhas in diesem Moment. Das Spiel schien – hehe – bereits nach wenigen Augenblicken im zweiten Drittel vor die Hunde zu gehen.

0:2 gegen den Tabellenzweiten, gegen eine hungrige Übermacht. Wie soll das bloß ausgehen, bangte sogar mancher Fan. Zum Glück ist es in diesem Jahr eine besondere Eishockey-Mannschaft, die sich für ihre Anhänger den Allerwertesten aufreißt.

Der zweite Akt:

Marius Pöpel.

Es gibt einige Gründe, warum »Pope« zu den Publikumslieblingen in Rostock zählt. Für jeden Fan nimmt sich der Charmebolzen Zeit, kein Schnack ist ihm zu viel. Und wenn er auf dem Eis den Rambokörper rausholt, droht den Gegenspielern eh eine partielle Sonnenfinsternis. Nur eine Sache war Pope lange nicht vergönnt: ein Tor in der Schillingallee.

Bis gestern Abend. In einer milden Form von Tobsuchtsanfall schlängelte sich der Hüne an den Gegnern vorbei und schmatzte den Puck unter die Latte. Ein fantastisches Tor. »Das kann er sich einrahmen und sich ins Wohnzimmer hängen«, lobte auch Ex-Präsi Mike Specht.

Und danach passierte etwas, was die Rostocker Eishockey-Fans ähnlich überraschte wie die Pope-Predigt: Das Powerplay klickte. Nicht ein bisschen, nicht ein bisschen mehr, sonder so, wie ein Überzahlspiel nur klicken kann.

Was Dansy, Bejmo und Mieszkowski dort veranstalteten, gehört in jede Highlight-Schleife. Inklusive Big Mikes Albatross-Jubel.

2:2. Nachdem die Piranhas in Leipzig in vier Minuten drei Gegentore inhaliert hatten, schossen sie nun selbst in drei Minuten zwei Tore. Wie heißt es so schön: »Auch auf die Schnauze fallen ist eine Vorwärtsbewegung.«

Nach dem Gleichstand entwickelte sich nun ein brachiales Hin und Her. Tilburg schnaufte wütend, blähte die Muskeln, schoss ein fantastisches Tor. Joly brach auf außen durch, spielte scharf vors Gehäuse, wo Delaney Hessels perfekt abschloss. Wieder so ein Highspeed-Tor. Wieder zu schnell für die Piranhas und eigentlich auch für diese Liga.

2:3

Der finale Rückschlag?

Nein! Die Piranhas widmeten sich ihrer neuesten Lieblingsbeschäftigung: dem Gegner im Powerplay die Hammelbeine lang ziehen. Überzahl die nächste: Dansereau mit einem tödlichen Pass auf Bejmo, der den Puck in die Maschen zuckerte.

3:3.

Den nächsten Rückstand egalisiert. Die Halle bebte, kochte, vibrierte. Was, verdammt, ist hier gerade los?

Der dritte Akt:

Weil es so schön effizient war – folgte wieder Powerplay für die Piranhas.

Tilburg wand sich, wehrte sich, befreite sich. Dann schoss Jan Tramm einfach mal von der Blauen. Der Puck blieb im Gefühl schwarzer und gelber Menschen stecken. Mieszkowski grub mit geballter Kraft eine Lücke, durch die der Kleinste im Rostocker Team schlüpfte. 4:3 durch den erneut überzeugenden Kevin Kunz.

Die erste Führung.

Auf dem Dach der Schillingallee hätte ein Helikopter landen können, man hätte von den Rotoren nur ein leichtes Winseln gehört. Und damit nicht genug. Es wurde noch lauter.

Dansereau passte fix auf Christian Paul-Mercier. Der stach nun durch wie vorhin Joly und spielte perfekt auf Kilian Steinmann vors Tor. Der schoss, nein drosch, nein, prügelte den Puck ins Netz. Und was zeichnet diesen Kapitän aus? Er feierte nicht etwa nur sich selbst, sondern deutete sofort auf den Vorlagengeber. Nicht nur Papa Mercy in der Loge durfte stolz auf den Bengel sein!

5:3 gegen Tilburg. Nach 0:2-Rückstand. Nochmal: Was, verdammt, ist hier gerade los?

Aber es ist eben immer noch Tilburg. Auf den Rausch folgte der Graus. Denn das Spiel, das längst ein Schwergewichtsfight war, Axel Schulz gegen Hoffmeister, plusterte sich nun zum Drama auf. Reno De Hondt auf Max Hermens, bumschakalaka, knallte das Ding im Torgestänge der Piranhas. Leiter hinter der Torlinie.

Nur noch 5:4 – und vierzehn lange Minuten zu spielen.

Und die Zeit kroch wie einer dieser 45-Km/h-Senioritten-Schlitten auf der Landstraße dahin. Boah, können sich 840 Sekunden ziehen.

Tilburg drückte, die Piranhas kämpften verbissen. Fünf Minuten vor dem Ende der Schock: Keegan Dansereau musste wegen eines vermeintlichen Stockschlags vom Eis. Die Halle, blind vor Zorn, tickte kollektiv aus.

Unterzahl gegen die Überzahl-Jongleure aus den Niederlanden. Auf Wut folgte deshalb Angst. Tilburg rotierte die Scheibe, schoss, traf Abwehrbeine und Albrecht-Gliedmaßen, die mal wieder wie Krakenarme durch den Torraum schlackerten. Aber da war nicht nur Wut und Angst, da war auch Trotz. Vor allem dank der Mannschaft. Das lassen wir uns nicht nehmen, zeigten die Jungs auf dem Eis mit ihrer Körpersprache. Das lassen wir uns nicht nehmen, schnaufte die Halle zurück.

Es folgte nächste Herzschocker: Tilburg nahm den – zwischenzeitlich – gewechselten Goalie vom Eis. 6 gegen 4 Feldspieler.

Wieder Blocks, wieder Zweikämpfe, ein Knäuel aus Körpern balgte sich um den Puck. Die Piranhas wollten ihn nur aus der eigenen Zone bugsieren. Das gelobte Land befand sich nun hinter der blauen Linie. Dann erstritt Mieszkowski mit Bullenkräften den Puck und spielte ihn fein auf Kunz.

Der Rest ist Legende: 6 zu 4. Gegen Tilburg. Mutig unter die Latte gezimmert.

Weil es so schön war, und Tilburg nicht aufgab, den Keeper wieder rausgeholte, gab es Sekunden vor dem Ende noch ein bisschen mehr Schlagsahne auf den ohnehin großen Haufen Schlagsahne. Mieszkowski ins verwaiste Tor zum 7:4.

Wahnsinn! Wahnsinn! Wahnsinn!

Spieler des Spiels:

Die komplette Mannschaft wurde in der Halle ausgezeichnet – und das zurecht. Was das Team gestern an Leidenschaft aufs Eis brachte, lag spielerisch und kämpferisch fast jeder Vorstellungskraft. Die Tore? Überragend herausgespielt. Die Verteidigung? In jeder Sekunde des Spiels kämpfte sie aufopferungsvoll.

Wer gestern in der Halle war, hat eine Mannschaft gesehen, auf die man nicht stolz sein darf, sondern stolz sein muss. Das war eine Gala der Rostocker Jungs. Die sich – das ging fast unter – den neunten Tabellenplatz im Fernduell mit Herne sicherten.

Vor allem waren das Rostocker Jungs, die innerhalb von neun Tagen den Tabellenersten, den Tabellenzweiten und den Tabellendritten besiegen konnten.

Was noch bemerkenswerter ist als dieser Abend?

Die Moral dieses Teams.

Gegen Hannover und Tilburg 0:2 zurückgelegen und noch gewonnen.

Im Januar teilweise abgeschmiert, Duisburg im Nacken, nur drei Tore aus sechs Spielen. Das Pech unter Pfoten und Kufen. Und noch hat diese geniale Mannschaft niemals aufgesteckt. Nie aufgehört, an sich zu arbeiten. Nie aufgehört, an sich zu glauben. Ihr wisst ja: Don’t Stop Believing.

So geht es weiter:

Bereits morgen Abend um 20:00 Uhr geht es für die Rostock Piranhas in Erfurt um den ersten von zwei benötigten Siegen gegen Erfurt! Das wird gegen eine extrem kompakte und gute Mannschaft wahrscheinlich der nächste Thriller.

Aber wenn die Rostocker Jungs eines gezeigt haben, dann, dass dieses Team mit diesem übergroßen Herz zu allem fähig ist!

Deshalb unsere Bitte: Kommt am Donnerstag in die Halle. Diese Mannschaft hat jeden Fan verdient.

Gemeinsam #bissigfürrostock

Fotos: David Garbe

Text: Hannes Hilbrecht

 

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